Erfahrung: Pia, 32 Jahre – Depression

Hallo, ich heiße Pia und bin 32 Jahre alt.

Ich werde euch meine gesamte Lebensgeschichte ersparen und fange mit dem Teil an, als es mit den Depressionen los ging.

Die Beförderung

Es war im Jahr 2009, als mein Ex-Mann, seine Beförderung zum Teamleiter eines Maschinenbauunternehmens erhielt. Normalerweise war das eigentlich ein riesiger Grund zur Freude. Wir planten damals eine kleine Familie zu gründen.

Ängste und Zweifel

Dennoch beschlichen mich zu dieser Zeit erste Zweifel und Ängste auf dem bislang so linear und gut verlaufenen Weg. Würde ich der Rolle als Mutter gerecht werden können? Freundinnen, die bereits Kinder hatten berichteten von unerträglichen Schmerzen bei der Geburt? Im Bekanntenkreis kam es zu Trennungen. War Timo wirklich der Richtige? Würde er neben dem anstrengenden Job genügend Zeit und Liebe für mich und die geplante Familie aufbringen können?

Die Fragen und Sorgen häuften sich

Damit ging ein Gefühl der Machtlosigkeit und Ohnmacht einher. Alles in allem hielt ich meine immer pessimistischer werdende Grundhaltung für normal, angebracht und realistisch. Dennoch war das für mich eine völlig neue Situation. Bisher kannte ich für alle Probleme schnell eine Lösung. Nichts im Leben konnte mir bis dahin Angst machen.

Psychische Leere

Es ging nicht schnell, aber – aus heutiger Sicht betrachtet – zermürbte die Depression nach und nach meinen Optimismus und hinterließ zunehmend eine psychische Leere und Kälte in meinem Herzen. Sie hat sich dafür etwa 2 Jahre Zeit genommen. Das Gefühl ist wirklich schwer zu beschreiben. Es war als würde ich innerlich jeden Tag ein wenig mehr Sterben.

Nach außen bemühte ich mich in der gesamten Zeit, die Starke zu spielen. Es kostete jeden Tag mehr Kraft, so zu tun, als sei alles in bester Ordnung. Timo war mit seiner Arbeit beschäftigt und eigentlich hatte er wohl auch keine Chance zu sehen, was in mir vorging. Ich denke, ich spielte meine Rolle perfekt. Bis ich nicht mehr konnte.

Der Zusammenbruch

Im Sommer 2011 kam es dann zum völligen Zusammenbruch. Geistig und körperlich, für Außenstehende von einem Tag auf den anderen. Es ging nichts mehr. Und wenn ich nichts schreibe, meine ich das auch so. Ich konnte nicht alleine aufstehen, von einem zum anderen Tag keinerlei Aufgaben mehr im Haushalt übernehmen. Ich konnte mit niemandem reden, nichts unternehmen… . Einfach gar nichts!

Die Behandlung

Meine Mutter war die erste, die mir über Beziehungen einen sofortigen Termin bei einem Psychiater besorgt hat. Dieser stellte mich sofort mit den entsprechenden Tabletten (Ich verzichte mal auf das nennen der für solche Fälle gängigen „Marke“) ruhig und veranlasste die schnellstmögliche Überweisung auf eine Depressionsstation in der Klinik. Ich musste ca. 7 Tage warten, bis ein Bett frei wurde. Eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Ich sedierte mich mit Unmengen von Tabletten. Das Prozedere bot keinerlei Aussicht auf Heilung oder Besserung. Es sicherte schlicht mein Überleben.

In der Klinik wurde ich dann zunächst mit reinem Fokus auf die Medikation ärztlich behandelt. Ich war in den ersten Wochen beim besten Willen nicht in der Lage irgendeinem Therapiegespräch zu folgen. Eigentlich war ich nur in der Lage zu atmen und zu schlafen. Die ständigen Umstellungen der Medikation nahmen zusammen mit der Depression meine gesamte körperliche Kraft in Anspruch. An irgendeinem morgen war es dann so weit. Ich erblickte langsam wieder ein wenig Licht im Dunkel. Ich erinnere mich, dass dieses der erste Morgen war, wo ich nicht diverse Extraaufforderungen der Schwestern zum Aufstehen benötigte. Sondern von selbst aus den Federn kam.

Endlich Linderung

Ab dann trat im Verhältnis zur vorherigen Starre eine kontinuierliche Verbesserung meiner Situation ein. Ich konnte den Gesprächen und Therapien folgen und habe dabei sehr viel über mich, meine Vergangenheit und mein Leben erfahren. Ich verstand langsam, dass ich mir in früher Kindheit gewisse Muster angeeignet habe, mit denen ich mir selbst großen Schaden zufügte. Hier ins Detail zu gehen, würde wohl den Rahmen eines Erfahrungsberichtes sprengen. Nicht zuletzt musste ich mir auch bewusst werden, dass ich große Fehler bei der Wahl meiner bisherigen Freunde, Partner und letztlich sogar meines Ehemannes gemacht hatte.

Ein Einschnitt

In jedem Fall war die Depression für mich wie ein tiefer Einschnitt in mein bisheriges Leben. Das Gefühl wünsche ich niemandem auf der Welt. Und dennoch habe ich ganz viel wichtiges in dieser Zeit gelernt.

Meine damalige Ehe hat diese Phase jedenfalls nicht überstanden. Heute empfinde ich das überhaupt nicht mehr als Verlust. Ich habe aber sehr lange gebraucht um die Trennung zu verarbeiten und zu verstehen. Jetzt weiß ich, es war für mich der falsche Mann!

Der Weg bis jetzt

Bis heute arbeite ich gegen gewisse depressive Muster an. Täglich! Aber es lohnt sich, meine neue Beziehung ist – trotz der Krankheit – stabil. Ich bin nicht mehr die, die ich ich einmal war. Aber alles in allem ist das auch sehr gut so. Ich habe viel gelernt und habe noch viel zu lernen. Die Reise nach und mit der Depression ist anstrengend, aber auch spannend. Ich habe es – obwohl ich es zeitweise nie geglaubt hätte – sehr selten bereut, weiter zu leben und diesen Weg zu gehen.

Pia

 

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Depressionen und psychische Leiden und Erkrankungen werden immer noch viel zu häufig abgetan oder sogar stigmatisiert. Wir freuen uns über jeden, der unsere Erfahrungsberichte oder Infoartikel teilt, damit sich etwas ändert.

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